Basketballlegende Michael Jordan
Verbittert, sarkastisch, zornig: Michael Jordans Dankesrede vor der Basketball-Ruhmeshalle geriet zur schockierenden Abrechnung mit Gegnern und WeggefÀhrten. Was trieb die Spielerlegende zu diesem radikalen Schritt? Das Basketball-Magazin "FIVE" wagt einen ErklÀrungsversuch.
In jedem Herbst - bevor die Saisons auf diesem Globus wieder starten - ehrt die Basketballwelt ihre ganz groĂen Helden. Dann nimmt die Hall-of-Fame, die Basketball-Ruhmeshalle in Springfield, Massachusetts, ihren neuen Jahrgang auf.
Wer den Schritt in die Ehrenriege des Sports macht, noch dazu im ersten Jahr der Zugangsberechtigung (ein Spieler muss fĂŒnf Jahre in Rente sein, um aufgenommen zu werden), der gehört zu den AllerallergröĂten. Die diesjĂ€hrige Klasse war dennoch etwas Besonderes. Die NBA-Legenden John Stockton und David Robinson, NBA-Coaching-Urgestein Jerry Sloan sowie Trainerinlegende C. Vivian Stringer. Sie alle wurden jedoch in den Schatten gestellt von jenem Mann, der seit Mitte der achtziger Jahre die gesamte Sportart in seinem Bann hĂ€lt: Michael Jeffrey Jordan.
Die Aufnahme von "His Airness" in die Hall-of-Fame sollte den rĂŒhmlichen Schlusspunkt unter eine Karriere setzen, die es in dieser Form nie zuvor gegeben hatte und wohl nie wieder geben wird. Teil der Zeremonie ist die sogenannte "Acceptance Speech", eine Ansprache, Ă€hnlich wie die bei den Oscars, in der der Geehrte Danksagungen loswerden kann.
23 Minuten lange Demontage
Nicht selten wird es bei dieser Gelegenheit sentimental, werden sogar manchmal jahrzehntelang schwelende Konflikte altersmilde beigelegt. Im Moment höchster WertschÀtzung verzeiht es sich halt leichter. Als Jordan jedoch an das Podium trat, wartete auf die versammelte Basketballprominenz etwas ganz anderes.
23 Minuten sprach Jordan. Ein "Danke" hatte er nur fĂŒr die allerwenigsten ĂŒbrig. Anstelle einer ergreifenden, emotionalen Rede brachte der wohl beste Basketballer in der Geschichte des Sports eine AufzĂ€hlung derjenigen, die ihn ĂŒber die Jahre motiviert hatten. Zum VerstĂ€ndnis: Jordans unerreichten Ehrgeiz, seinen unvergleichlichen Siegeswillen hielt der Ăberstar am Lodern, indem er sich einbildete, die gesamte Welt sei gegen ihn.
Der Zwang, der Beste zu sein
Wenn jemand an ihm zweifelte, wollte er demjenigen nicht nur beweisen, dass er unrecht hatte. Er wollte ihn bloĂstellen. Behauptete jemand, dass er ihn verteidigen könne, wollte Jordan diese Person zerstören. Jordan war besessen vom Wunsch, der Beste zu sein, schoss dabei oft ĂŒber das Ziel hinaus. So auch bei seiner Aufnahme in die Hall-of-Fame.
GenĂŒsslich ging MJ seine Karteikarten durch. Jeder Satz ein Schlag ins Gesicht der ehemaligen Kontrahenten. Sein College-Mitspieler Buzz Peterson, der ehemalige Chicago-Bulls-Manager Jerry Krause, die Medien, Trainer Pat Riley, Gegenspieler Byron Russell, die Liste war lang, sehr lang. Nach jeder ĂŒberflĂŒssigen abgeschossenen Spitze wollte man ihm am liebsten zurufen: "Lass es, du hast doch gewonnen."
Nervöses Lachen im Publikum
Doch Jordan ist noch immer so, wie er als Spieler war. Unerbittlich wollte er vielleicht zum letzten Mal allen zeigen, wer ĂŒber die Jahre die Nummer eins war - als ob das nur im Geringsten nötig gewesen wĂ€re. Nicht wenige seiner WeggefĂ€hrten und Kontrahenten lachten ĂŒber die Anekdoten, die Jordan in seiner Ansprache preisgab. Gleichzeitig schreckten sie an vielen Punkten hoch. Aus einem feierlichen Abend in versöhnlicher Stimmung machte MJ sein ganz persönliches "Ich hab es euch allen gezeigt"-Fest.
All das zeigte, wie schwer sich Michael Jordan noch immer damit tut, nicht mehr auf höchstem Level Basketball spielen zu können. Golf, GlĂŒcksspiel, die Jordan Brand, das Dasein als Personaler der Washington Wizards oder jetzt der Charlotte Bobcats - nichts fĂŒllt ihn wirklich aus. Er lebt im Gestern, wĂŒrde wahrscheinlich alles dafĂŒr geben, es diesen Youngstern von heute noch einmal zu zeigen.
Bird, Barkley, Magic - Altstars mit neuen Aufgaben
Solche TrĂ€ume hat wahrscheinlich jeder alternde Ex-Star, verwirft diese allerdings schnell, es gibt ja genĂŒgend Dinge, die im neuen Lebensabschnitt Freude bereiten. Andere Altstars finden nach der aktiven Zeit neue BeschĂ€ftigungen, die sie ausfĂŒllen. Charles Barkley macht Fernsehen, Magic Johnson baut Kinos und ist ein erfolgreicher GeschĂ€ftsmann. Larry Bird leitet mit Herzblut die Indiana Pacers. Und Jordan?
So erfolgreich MJ als Basketballer war, so sehr er uns alle faszinierte, als Mensch enttĂ€uscht er auf ganzer Linie, seit er die NBA-BĂŒhne verlieĂ. Das spielt auf der einen Seite keine Rolle. Wir haben die Erinnerungen, die DVDs, YouTube. Wir wissen, was dieser Mann in uns ausgelöst hat, wenn wir ihn spielen sahen. Trotzdem schmerzt es, zu sehen, wie eine Ikone kein Leben nach dem Basketball findet. Michael Jordan mag alles Geld der Welt haben, in unseren und seinen Erinnerungen immer der GröĂte bleiben. Gewonnen hat er am Ende nur im Basketball. Das ist traurig.
Die dunkle Seite von "His Airness"
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