Hype? Boom? Oder doch Nische?
Deutschlands Basketball hofft nach den Erfolgen des Nationalteams auf Schwung für die Liga - doch rund um den Auftakt in Berlin gibt es auch skeptische Stimmen.
In diesem Spätsommer ist in Deutschland Erstaunliches passiert, und es hatte mit orangen Bällen zu tun. Viele Menschen schauten plötzlich Basketball, es gab eine Europameisterschaft im eigenen Land, da zappt man schon mal rein. Aber als beim Halbfinale gegen Spanien zeitweise mehr als vier Millionen Zuschauer RTL guckten, konnte von Zufall keine Rede mehr sein. Die Menschen hatten Lust auf diese Spieler, die später Bronze gewannen. Schülerinnen und Bürokollegen wissen seither, wer Maodo Lo ist, und mancher sogar, wie eine Zonenverteidigung funktioniert.
Die Beliebtheit des Sports hat - zumindest phasenweise - deutlich zugenommen, das haben Beteiligte und Verantwortliche erfreut zur Kenntnis genommen. Aber was von der zart anschwellenden Aufmerksamkeit wirklich bleibt, muss sich anderswo zeigen: Beim Start in die neue Saison der Basketball-Bundesliga (BBL), der an diesem Mittwoch mit der Partie Alba Berlin gegen die Hamburg Towers (19 Uhr) in der Hauptstadt ansteht. In der Halle, in der das Nationalteam vor nicht einmal zwei Wochen nach EM-Platz drei Glückstränen vergoss.
Sportlich gesehen sind die Umstände günstig, das Land verfügt über serienmäßig produziertes Basketballtalent, nicht selten machte zuletzt das Wort "Hype" die Runde. Doch genau bei solchen Betrachtungsweisen runzelt Alba-Geschäftsführer Marco Baldi, 60, die Stirn. Er ist nach mehr als 30 Jahren im Geschäft zu lange dabei, um euphorisch zu werden. Aber er ist optimistisch, dass sich was tut in seinem Sport. Er sieht infolge der EM durchaus Abstrahlungsmechanismen auf die Bundesliga.
Es braucht Anreize für die Masse im deutschen Basketball
"Es ist wichtig, dass die Partner im Basketball sehen, was möglich ist. Die Liga ist in den vergangenen Jahren schon qualitativ stärker und attraktiver geworden, und das wird durch so einen Impuls zunehmen", sagt Baldi. Er ist sich sicher, dass Deutschland zu einem gewissen Maß basketballbegeistert ist, wenn Erfolge das Publikum anlocken. Hinguck-Anreize wie eine Bronzemedaille. Wie in der Heimat ausgebildete NBA-Profis (siehe Wagner-Brüder in Berlin). Oder wie Spiele im TV zur Primetime. "Das unterstreicht unsere Annahme seit vielen Jahren - wenn Präsenz da ist, dann wird geschaut", findet Baldi.
In der Tat verfolgten nicht nur im Privatfernsehen mehrere Millionen die Spiele der Deutschen, sondern auch beim Streamingdienst Magentasport. Die Hallen waren meist ordentlich ausgelastet, in der EM-Vorrunde in Köln noch etwas mehr als in der K.-o.-Runde in Berlin, aber insgesamt könnte das Turnier etwas angestoßen haben. "Wir haben gesehen, dass es durchaus eine Begeisterung für Basketball in Deutschland gibt. Und wir schauen mit großer Vorfreude auf das, was kommt", erklärt zum Beispiel Albas Aufsichtsratsvorsitzender Axel Schweitzer.
Für die Liga seien die vergangenen Wochen "sehr positiv" gewesen, betont auch Baldi. Schließlich potenziere sich dadurch die Aufmerksamkeit auch jenseits der Nische. Der Basketball hat Anschub vom Nationalteam bekommen, die Frage ist nur, was nun eine Ebene darunter daraus wird. Da herrsche bei ihm "begeisterte Zurückhaltung". Er glaube "nicht an einen richtigen Boom", sagt Baldi, "aber daran, dass es nochmal eine deutliche Stufe nach oben gehen wird". Er blickt lieber auf nachhaltiges Wachstum an der Basis und mediale Multiplikation: Mehr Fans am Ort, mehr Kinder in den Vereinen, mehr Abonnentinnen beim übertragenden Rechteinhaber Telekom.
Doch es gibt auch skeptischere Stimmen: Noch immer ist es schwer, eine breite Masse auf Partien wie Crailsheim gegen Oldenburg (Sonntag 18 Uhr) oder den ersten Auftritt von Aufsteiger Rostock Seawolves (9. Oktober, 15 Uhr gegen Ulm) neugierig zu machen. "Dass ein einzelnes Turnier sofort alles verändern kann, ist ein Mythos", erzählte etwa BBL-Boss Stefan Holz zuletzt im Magazin BIG. Allerdings sieht er die Möglichkeit, dass sportliche Erfolge in Deutschland "etwas auslösen" können, dass die EM "einen Schub" mit sich bringt.
Auch er richtet den Blick hinaus in die Zuschauerwelt, hinein in deutsche Wohnzimmer, wo die Mehrheit eben häufig Fußball guckt. Immerhin: Es bestehe durch die jüngsten Meriten die Chance, "Menschen außerhalb unserer Blase" zu erreichen, EM-Bronze war für ihn "nahezu ein Best-case-Szenario", so Holz. Jetzt gelte es, voller Tatendrang in die Halle zu gehen, "in der gerade das Medaillenlametta rausgekehrt wurde", auch wenn ein erneuter Pandemieherbst mit einer möglichen Maskenpflicht sicher nicht hilfreich sei.
Letztlich müsste sich das Interesse in Ticketverkäufen und bei TV-Quoten niederschlagen, ehe im nächsten Jahr Dyn die Ligaspiele überträgt, die neue Streamingplattform des früheren DFL-Chefs Christian Seifert. Marco Baldi möchte noch abwarten, ob die EM direkt den Kartenabsatz befeuert. Das müsse sich zu Saisonbeginn erweisen. Der Dauerkartenverkauf läuft in Berlin immerhin vielversprechend, wie der Klub auf Nachfrage mitteilt. Auch in Rostock sind bereits einige Partien zu Saisonbeginn fast ausverkauft - die Stadthalle fasst knapp 5000 Fans.
Letztlich eröffnen sich ligaweit aber auch bei der Sponsorensuche Potenziale, denn mit insgesamt 16 EM-Teilnehmern (deutsche und internationale Profis) in der BBL haben sich reihenweise neue Gesichter etabliert. Gleich fünf davon sind übrigens Berliner - und in Jonas Wohlfarth-Bottermann (genannt "Wobo") sowie dem Slowenen Ziga Samar gibt's auf Hamburger Seite beim Auftakt noch zwei weitere zu sehen.
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