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DBB blamiert sich gegen die Niederlande

Die deutschen Basketballer verlieren in der EM-Qualifikation überraschend gegen die Niederlande. Der Präsident findet drastische Worte.

Wer jemals nach Naestved kommt, sollte sich unbedingt in dem dänischen Städtchen diese leckeren Bonbons kaufen. Auch eine Kanufahrt auf dem Flüsschen Suså ist empfehlenswert. Ob die deutschen Basketballer ihren Besuch auf dem Süd-Seeland unbeschwert genießen können, wird sich erst nach der Partie am Samstag entscheiden. Am Donnerstag trafen sie im Hotel ein, wo sie am Abend noch ihre Körper lockerten.

In Naestved steht das nächste Spiel in der Qualifikation für die Europameisterschaft im nächsten Jahr an. Und nach der 71:75-Niederlage am Mittwochabend in Oberhausen gegen die Niederlande dürfte der Ausflug nach Dänemark kein Urlaub werden. Die öffentlichen Debatten sind schriller, als es im Basketball üblich ist. Manche fragen sich sogar, ob das Team ohne Dirk Nowitzki und Dennis Schröder überhaupt gut genug ist, um sich für die EM zu qualifizieren. Sicher mitspielen bei der Endrunde darf nur der Gruppenerste. Deutschland konkurriert nun mit Österreich und den Niederlanden um die Teilnahme. Österreich? Niederlande? Wird da überhaupt Basketball gespielt?

Diese gemeine Frage hat Fleming, 46, noch niemand gestellt. Aber der US-Amerikaner wird das Gefühl nicht los, dass sich das bald ändern wird. Auch deshalb hatte sich Fleming vor dem Spiel gegen die Niederlande ungewöhnlich laut ("Es mangelt uns nicht an Persönlichkeiten") zu Wort gemeldet, fast so, als hätte er schon geahnt, dass aufgeregte Diskussionen folgen werden. "Ich lese den ganzen Sommer nur über die Absagen, aber nichts über die Jungs, die dabei sind und extrem viel geopfert haben, um das deutsche Trikot zu tragen", sagt Fleming der SZ. Er wünscht sich mehr Wertschätzung für die neue Generation, "die ihre Leistungsfähigkeit noch nicht voll entfaltet hat, aber noch riesiges Steigerungspotenzial besitzt".

Fleming, der mit Bamberg vier Meisterschaften gewann, ist ein ruhiger, analytischer Mensch. Als zurückhaltender Reiseleiter wirkt er beruhigend auf den jungen Kader ein, in dem der Kapitän Robin Benzing mit 27 Jahren der Älteste ist. "Ich mache mir wegen der Niederlage überhaupt keinen Kopf, weil ich davon ausgehe, dass wir Gruppenerster werden", sagt Fleming so nüchtern wie ein Notar bei der Testamentseröffnung. Die externen Debatten würden die internen Angelegenheiten überhaupt nicht erreichen. "Wir sind extrem geschlossen und selbstbewusst."

Der Basketball-Präsident Ingo Weiss nennt den Center Tibor Pleiß "einen Totalausfall"

Das gilt aber nicht unbedingt für alle Mitglieder des deutschen Reisetrosses. Ingo Weiss, der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, zum Beispiel moniert die Spielweise der Spieler, die mehr als 100 Länderspiele in ihrer Vita stehen haben. Vor allem die Leistung von Tibor Pleiß sieht er noch kritischer als alle anderen. "Tibor ist für die Mannschaft ein Totalausfall", findet Weiss. Das hört sich zunächst drastischer an, als er es meint. Hinter Pleiß liegen schwierige Jahre, der 2,18 Meter große Centerspieler galt lange als begabtester deutscher Spieler nach Nowitzki. Doch nachdem er es im vergangenen Jahr endlich in die nordamerikanische Basketballliga NBA zu den Utah Jazz geschafft hatte, durfte er nicht spielen. Er pendelte zwischen den Extremen, zwischen Profi- und Farmteam. In diesem Sommer sollte dann alles anders werden, besser versteht sich. Der 26-Jährige schloss sich den Philadelphia 76ers an, dem schlechtesten Team der Liga. Doch schon nach wenigen Tagen trennte sich der Klub wieder von ihm - und seitdem ist Pleiß nicht nur auf Vereinssuche, sondern auch ohne Form. "Er ist mit den Gedanken ganz woanders", sagt Weiss. Gegen die Niederlande traf Pleiß keinen Korb aus dem Spiel. Seine Schultern hingen schlaff herab, als würden sie eine unsichtbare Last herunterziehen. Es war aber sein letzter Auftritt beim Quali-Turnier, noch am Donnerstagabend flog er in die USA, um bei zwei Klubs vorzuspielen.

Natürlich hat auch Fleming die Schwachpunkte seiner Mannschaft längst ausgemacht. Die Unbeständigkeit innerhalb eines Spiels, auf sonnige Phasen folgen aprilartige Leistungsumstürze, mit Hagel und Gewitter. Unwettererprobte Spieler sucht Fleming aber vergeblich: "Vor allem in der Offensive schaffen wir es nicht, Ordnung ins Spiel zu kriegen." Der Neu-Bamberger Maodo Lo tut, was er kann. Er war allerdings nur als Adjutant von NBA-Profi Schröder oder Heiko Schaffartzik vorgesehen und sollte von ihnen lernen. Doch nach den Absagen der beiden ist der 24-Jährige über Nacht vom Praktikanten zum Chef aufgestiegen, obwohl er im College nicht einmal auf der Spielmacherposition eingesetzt wurde. "Maodo hat große Fortschritte gemacht, aber uns fehlt hier die Erfahrung", sagt Fleming. Und die Unterstützung der etablierten Profis, "die den jungen Spieler helfen müssen". Zumindest verbal gelingt ihnen das. "Es auf die Unerfahrenheit zu schieben, ist immer eine leichte Ausrede", betont Robin Benzing. "Ich muss die Mannschaft führen, das ist mir nicht gelungen." Vielleicht sollten sich die Spieler einfach mal ein paar Bonbons in Naestved kaufen. Süßes soll ja gut für die Seele sein.

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